12.03.2007

Umberto Echo: Dubtrain (19 / Enja)
Jetzt scheint es also Mode zu sein sich als Dub-Artist einen „witzigen“ Namen zu suchen – Dub Spencer, Trance Hill und Dagobert Dub lassen grüßen. Jung an Jahren (26) ist Umberto Echo bei weitem kein Anfänger. Die Liste, für wen er schon alles produziert hat, ist erstaunlich: Jamaram, Jahcoustix, Quadro Nuevo, Headcornerstone, Kamerakino u.a. Mit Leuten aus den oben genannten Kapellen entwickelte sich seit 2002 die Idee ein Dub-Album aufzunehmen. Bei den Stücken im mittlerem bis langsamen Tempo dominiert der One Drop. Aufgelockert wird das Konzept von Latin-Rhythmen (Feelavibe), arabischen (Sultana) und indischen Klängen (Rubadub).
Die Tunes sind überwiegend von den teilnehmenden Musikern geschrieben aber auch ein Paragons-Riddim (High & Windy) ist dabei. Gesang wird von Luciano, Earl 16 und Paul St. Hilaire geliefert. Erwähnenswert ist auch die Posaune von Josh Roseman, der auf den Alben seines eigenen Projekts schon mal Nirvanas „Smells Like Teen Spirit“ auf heißem Blech serviert. Die viel eingesetzten Bläser rücken den Sound in die Nähe der Love Grocer oder der Labelkollegen Dub Guerilla. Ein eher ruhiges Album – der Dubtrain ist kein ICE –, das ordentlich aufgedreht auch einen schönen Bassdruck entfaltet. Auf Dauer wirkt der Wohlklang aber ein wenig langweilig. Ich mag danach mal wieder einen richtig peitschenden Stepper.

03.02.2007

Easy Star All-Stars: Radiodread
Versioning ist im Reggae eine alte Tradition. Beim Covern von Popstücken ist in der Vergangenheit viel Schrott produziert worden. Seltener findet man komplette Pop-/Rockalben in der Reggae- bzw. Dubfassung. »Radiodread« ist die gelunge Version des Albums »OK Computer« von Radiohead.
Abgesehen von der instrumental absolut tighten Einspielung wurde hier sehr bewußt mit dem Ausgangsmaterial gearbeitet. Manche Intros sind Soundmäßig so nah am Original, dass einem der Offbeat erst allmählich auffällt (Airbag). Auf weiten Strecken übernehmen Bläser die Rolle der Lead-/Sologitarre (Paranoid Android), die Riddims stammen aus Bassläufen des Originals (Karma Police). Einige Stücke haben eine starke Wandlung erfahren: aus dem bluesigen »Let Down« wurde ein Ska-Track und das lärmige »Electioneering« wandelte sich in einen Rockers erster Güte.
Als hochkarätige Sänger treten u.a. Horace Andy, Sugar Minott, Toots Hibbert und Morgan Heritage auf. Keiner von ihnen klingt so weinerlich wie Thom Yorke aber alle Sänger geben die emotinonalen Dunkelgrautöne der Vorlage in ihrer Interpretation eindringlich wieder.
2004 jagten die Easy Star All-Stars »The Dub Side Of The Moon« durch die Echokammer. Gerade der Verkaufserfolg liess Diskussionen in der Dubszene aufkommen, die sich schnell in zwei Lager spaltete. Die Gruppe, die »The Dark Side Of The Moon« von Pink Floyd schätzte liebte auch die Dubfassung. Der anderen Gruppe war das Original unbekannt oder egal. Darum sei an dieser Stelle gesagt: ich liebe Radioheads »OK Computer«. Das zweite Album, dass zum Vergleich herangezogen werden muss ist »I’m Not The Only Record For You: The Dub Tribute To Radiohead« (Vitamin Records). Dieses Album ist im Gegensatz zu »Radiodread« nur eine Instrumentalfassung auf Bontempi-Niveau ohne Bass und darf getrost ignoriert werden.
Wie gesagt, ich liebe das Original und auch diese Fassung der Easy Star All-Stars löst bei mir den Effekt aus, das ich das Album, wenn der letzte Ton verklungen ist, wieder von Vorne hören will.

23.08.2006

Dub Stories – L’histoire du Dub racontée par ses activistes (CD + DVD)
Wohl dem, der einen engagierten Plattenhändler hat. In Frankreich treibt der Dub neue Blüten, während die Kids in Deutschland versuchen möglichst »authentisch« Dancehall nach zu spielen. Dem entsprechend erscheinen in Frankreich auch immer tolle Produkte zum Thema und hier muss man erstmal einen Händler finden, der das beschaffen kann.
Dass die Franzosen den Dub nach 2000 nur auf Aktivitäten im eigenen Land beziehen, finde ich schon etwas frech. Ich finde es wesentlich, dass z.B. Rhythm & Sound und Twilight Circus einige jamaikanische Veteranen vor das Mikrofon bekommen. Merkwürdig ist auch, dass bei der starken Präsenz von französischen Artists Kanka nicht einmal erwähnt wird. Ansonsten ein tolles Ding mit vielen bisher ungesehenen Bildern und ungehörten Erläuterungen.
Die französchsprachigen Teile sind englisch untertitelt. Ich gehe davon aus, dass bei den überwiegenden, englischsprachigen Beiträgen französische Untertitel einblendbar sind.

07.06.2006

Nightmares On Wax: Flip Ya Lid
In den 90er Jahren hatten viele der so genannten »Trip Hop«-Acts einen starken Bezug zur Reggae- und Soundsystem-Kultur und insbesondere zu Dub. Aus dem Hause Warp Records kommt am 12. Juni 2006 mit „Flip Ya Lid“ von Nightmares On Wax ein weiteres Highlight dieses Schnittmengen-Genres. Ein wunderbar Zeitlupen-langsamer One Drop, der auch gleich ein paar mal ausgelassen wird, kontrastiert mit durchgehenden Handclaps. Die Vocals stammen von Ricky Ranking, der auch schon für Roots Manuva aktiv war. Stilecht kommt das ganze als 7″ mit farbigem Vinyl. B-Seite ist »Da Mess Sticks«, ein Bongo-dominierter Dancefloor-Track, der hier exklusiv veröffentlicht wird.
Ich denke, die Reggae-Massive wird diesen Track weitgehend ignorieren. Die allgemeine Nachfrage geht ja eher nach jamaikanischer und schnellerer Ware. Wenn ich das beim Dance hören will, muss ich es also selber auflegen.

18.12.2005

Sinéad O’Connor: Throw Down Your Arms
Sinéad O’Connor hat mit diesem von Sly & Robbie produzierten Album guten Geschmack und sensiblen Umgang mit den Originalen bewiesen. Die Tracks sind erfrischend arrangiert und in der Abfolge mit einem schönen Spannungsbogen versehen. Insgesamt erfreulich ruhig und überraschend eindringlich. Exklusiv für den deutschen Markt gibt es diese CD im Pack mit Dubversionen auf einer zweiten CD. Die enthaltenen Dubs sind aber eher schlapp. Da gibt es von den Originalen zum Teil bessere Versions: »Dreader Locks« (Lee Perrys Dub von »Curley Locks«) oder »The Ghost« (Burning Spears Dub von »Markus Garvey«).

14.03.2005

Rhythm & Sound: See Mi Yah
Rhythm & Sound – der Name steht für das Konzept. Die Riddims changieren zwischen Monotonie und Hypnose. Die Soundeffekte sind so spärlich eingesetzt, dass man sich nie sicher ist, ob sich gerade der Sound oder die eigene Wahrnehmung verschiebt. Das vielen Stücken unterlegte Rauschen macht dem Hörer den eigenen Hörprozess bewusst.
Mit diesem Konzept kommt auch der neue Longplayer von Rhythm & Sound und siehe da: dieser Minimalismus ist steigerbar. »See Mi Yah« steigert als One-Riddim-Album das Spiel mit der Monotonie. Der wesentliche Melodie-Träger bleibt der Gesang, jeder Track hat seinen eigenen Sänger für den das Arrangement und der Mix angepasst wurde. Auch bei der wieder ganz erstaunlichen Besetzungsliste geht die Steigerung weiter: Neben dem bekannten Paul St. Hilaire (Tikiman) sind diesmal auch dessen Bruder Ras Perez und die Studio One-Veteranen Willi Williams und Sugar Minott dabei. Als Wirkung der Rhythm & Sound-Stücke wird immer wieder eine sacraler Kontext assoziiert. Auch darin findet hier eine Steigerung statt: Rod Of Iron präsentiert einen Wechselgesang, wie er sonst nur in der Lithurgie vorkommt.
Neu hingegen ist, dass das Album nicht der Schlusspunkt einer Reihe von 7″-Veröffentlichungen ist, sondern das die 7 Singles (mit 3 zusätzlichen Instrumentalversionen) fast zeitgleich erscheinen. Rhythm & Sound bestätigen mit diesem Album einmal mehr ihren Sonderstatus und das dieser inzwischen auch von Sugar Minott und anderen hochkarätigen Sängern bzw. Veteranen honoriert wird, ist absolut zu begrüßen.

10.11.2004

Lee »Scratch« Perry: Scratch Attack
»Sratch Attack« ist der Name für die Zusammenstellung der Vinyl-Alben »Scratch & Company Chapter 1« und dem ersten Stereo Dub Album, dem hochgelobten »Blackboard Jungle Dub« von 1968. Die insgesamt 22 Tracks haben eine Spielzeit von 74 Minuten.
Vom Label Trojan gibt es »Blackboard Jungle Dub« seit April 2004 im 2 CD-Pack »Dub-Triptych« zusammen mit dem Album »Cloak & Dagger« und dem sehr schönen »Revolution Dub«. Der Sound ist deutlich besser als bei »Sratch Attack« und der Preis ist auch OK.

06.09.2004

Vibronics: Dubliftment
Steve Vibronics ist bereits seit Mitte der Neunziger Jahre mit Dub dabei. Und Dub in den 90ern heißt natürlich NeoDub/UK Dub. Dieser Sound schafft hier eindeutig den Sprung auf ein neues Level. Zum einen werden die inzwischen trivialen Keyboardsounds durch echte Instrumente ersetzt zum anderen erhält die Abfolge der Stücke eine schöne Dramaturgie, wenn sich Abgeher mit richtig entspannten Momenten abwechseln.
Die kleinen Gesangsparts und die eingespielten Instrumente wie eine spanische Gitarre oder Bläser mit Balkan-Appeal (Stevie Splitz) und immer wieder gerne genommen: Melodika, entfalten wahre Melodische Blüten die aber tief in den nach wie vor typisch peitschenden Riddims wurzeln. Diese Zutaten vertreiben die oft dominante Düsternis der früheren Aufnahmen.
Für mich in 2004 das bislang Beste Dub-Album.

03.09.2004

King Tubby: Dub Gone Crazy
King Tubby und seine Schüler (Scientist und Prince Jammy) bearbeiten hier die von Bunny Lee produzierten Riddims der Aggrovators, darunter die großartigen Titel »Satta Dread Dub« und »Dub Fi Gwan«. Durch die Bearbeitung in Tubbys Mischpult wird aus dem Schlagzeug geradezu ein gegen den schweren Bass ankämpfendes Melodieinstrument. Weiß man, dass diese Aufnahmen für Tubby typische live gemixte Stücke sind, erklärt das die fast jazzige Athmosphäre.

20.06.2004

Lightman: Spring Time
Dieses Album ist nicht mehr ganz neu, aber es hat gedauert, bis ich es endlich in der Hand bzw. im Ohr hatte. Andere haben dieses Album hoch gelobt, dem ich nicht ganz zustimme und deshalb hier der Senf von mir:
Finnen genießen in unseren Breiten Exotenbonus. Das liegt zum Teil an der für unsere Ohren ungewohnten Sprache und an den zahlreichen, auch modernen, Mythen. Legendär sind diese Gummistiefelfabrik, die heute die besten Handys der Welt baut und die finnische Tango-Verrücktheit. Über Reggae oder gar Dub ist bislang wenig bekannt aber mit »Spring Time« von Lightman liegt die mir bislang einzige bekannte Reggaeproduktion vor.
»Spring Time« ist sehr entspannt und lässt einen an den Einsatz dieser CD in retro-modernen Bars denken. Lightman ist ein Verfechter der analogen Klangerzeugung und hat fast alle Instrumente selbst eingespielt. Dadurch hat die Platte einen altmodischen Charme aber nach Jahren der digitalen Dominanz klingt eine Orgel, die halt wie eine Orgel klingen darf, schon fast wieder innovativ. Gerade mit der Orgel gemahnt der Lightman an seinen Landsmann Jimi Tenor aber auch an Stücke der Upsetters und durch den Einsatz einer Melodika natürlich an Augustus Pablo. Dreht man den ohnehin nicht sehr wuchtigen Bass weg, denkt man ganz schnell an Klaus Wunderlich oder schlicht Easy Listening.
Da alle 16 Tracks Instrumentals sind, bleibt einem die finnische Sprache vorenthalten. Wahrscheinlich aber ist »humppa« sowieso kein finnisches Wort. Wer also in seinem Ort eine plüschige Bar kennt, die mit der entsprechenden Nostalgie spielt, wird Lightman dort eher hören als auf irgendeinem Sound.

28.05.2004

Augustus Pablo: King Tubby Meets Rockers Uptown
Das erste von Pablo selbst produzierte Instrumentalalbum. 1972 war er erst 19 Jahre alt. »King Tubby Meets Rockers Uptown« ist voll von lässigen und ätherischen Klängen und die ideale Einführung in Pablos »Far East Sound«, überwiegend in Moll gehaltene und verhallte, mit der Melodika gespielte, näselnde Melodien. Beispielhaft ist die Zusammenarbeit mit u.a. Robbie Shakespeare, Aston und Carlton Barrett, Earl Chinna Smith und Bobby Ellis. Das Titelstück ist Pablos Dubversion von Jacob Millers »Baby I Love You So«.

16.05.2004

Scientist: Meets The Space Invaders
Der King Tubby-Schüler Hopeton Brown (Scientist) macht sich hier über Riddims der Roots Radics her. Wie auch auf dem Album »Scientist Encounters Pac-Man« wird die für Scientist typische Einbeziehung der Computer-Sounds früher Ballerspiele deutlich. Sparsamer aber ultratiefer Dub.

21.04.2004

Keith Hudson: Pick A Dub
Originalveröffentlicht 1974 ist »Pick A Dub« ein typisches Beispiel für die Wiederveröffentlichungs-Politik des Labels Blood & Fire. Der Sound zeichnet sich eher durch Nacktheit aus. Schlagzeug und Bass stehen deutlich im Vordergrund. Aufwendige und auffallende Soundeffekte gibt es nicht zu hören. Die Intensität und Schwere der Rhythmen haben dieses Album auch in der Londoner Punk-Szene enorm Populär gemacht. Jon Savage schreibt in seinem Buch über die glorreichen Tage des Punk, England’s Dreaming: »The greatest dub album ever, twelve Cuts, all fantastic.«

Von Lothar, 4. August 2011, 12:18 Uhr

Kommentiere den Artikel oder setze einen Trackback

Bisher keine Kommentare zum Artikel

  1. Bisher keine Kommentare

Kommentiere den Artikel



Kommentare zu diesem Artikel über RSS 2.0-Feed verfolgen